Archiv der Kategorie: Alltagsphilosophie

Sehr häufig mache ich mir Gedanken über den Zustand dieser Welt und über die Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Hin und wieder schreibe ich etwas dazu, und das findet Ihr dann in der Kategorie „Alltagsphilosophie“.

Auch hierzu viel Spaß beim Lesen!

Glück und Mathematik

Ich war noch nicht an einer Umfrage beteiligt, bei der es um die Frage geht: „Sind Sie glücklich ?“, würde aber uneingeschränkt mit „Ja“ antworten. Früher hätte ich mit der Antwort gezögert und hätte wahrscheinlich tausend Gründe gefunden, nicht glücklich zu sein, aber seitdem ich gelernt habe, das Leben als ein Geschenk anzunehmen und versuche, andere an diesem Geschenk teilhaben zu lassen und gemeinsam spontan entstandene Freude zu erleben, fällt mir das „Ja“ als Antwort auf die Eingangsfrage immer leichter. Zugegeben: Wenn ich mal Zahnschmerzen habe oder einen schwierigen Kollegen, mag der Blick auf das eigene Glück getrübt sein, die Grundeinstellung bleibt aber. Als Mitteleuropäer des 21. Jahrhunderts, der in einer langen Phase des Friedens eine behütete Kindheit ohne Mangel und eine gute Ausbildung genießen durfte, finde ich das nicht erstaunlich. Unglücklich zu sein entsteht aus dem Gefühl heraus, dass einem etwas fehlt, dass die Menschen um einen herum einem Schwierigkeiten bereiten oder aus der Hoffnungslosigkeit, sowieso niemals im Lotto zu gewinnen. Wenn man aber einmal an sich selbst beobachtet, wie bereichernd es ist, vom eigenen Reichtum – und der muss nicht einmal materieller Natur sein – etwas abzugeben, Menschen (oder auch Tiere) zu beschenken, einfach nett und zuvorkommend zu sein und genussvolle Momente zu teilen, dann stellt sich nach meiner eigenen Erfahrung das Glück ganz von allein ein. Das heißt nicht, dass man träumerisch und selbstvergessen, naiv und gutgläubig durchs Leben gehen sollte, sondern im Gegenteil: Aus dem eigenen Glück und der Einmaligkeit des Menschseins entsteht das Bedürfnis, anderen zu helfen und Not zu lindern, wo es geht. Was hat das alles jetzt mit Mathematik zu tun ? Nun, da ich schon seit längerem der Auffassung bin, dass sich die menschliche Wirklichkeit nur sehr unzureichend mathematisch beschreiben lässt, fiel mir passend dazu die alte Weisheit von der geteilten Freude ein, die ja bekanntlich doppelte Freude sein soll. Nach meinen eigenen, bescheidenen mathematischen Kenntnissen würde das bedeuten: 1 geteilt durch 2 = 2, was wiederum eine unwahre Aussage wäre. Also zeigt sich die Mathematik in diesem Fall als ungeeignet, etwas zu beschreiben, dass wir selbst erleben können und das somit Teil unserer Wirklichkeit ist. Zur Ehrenrettung der Mathematik sei aber noch gesagt, dass sie sich zur Beschreibung der physikalischen Wirklichkeit hervorragend eignet – zumindest so lange wir nicht in die Tiefen der Quantenphysik vordringen, denn dort versagt bislang unsere Alltagssprache und mit ihr auch die uns vertraute Mathematik.

Was treibt die Borg an ?

Mich hat – als alter „Star Trek“-Fan – eine Frage immer wieder beschäftigt: Was treibt kriegerische Spezies, wie z.B. die Klingonen oder die Borg eigentlich an, das Universum erobern zu wollen ? Gehört dazu nicht eine gehörige Portion Leidenschaft, muss man nicht zu Emotionen fähig sein um motiviert zu sein, etwas zu tun ? Im Falle der Klingonen ist die Frage schnell beantwortet. Sie sind nachweislich äußerst leidenschaftlich bei der Sache, und  für ihr Volk zu kämpfen, ist für sie die höchste Tugend. Anders sieht es bei den Borg aus. Sie sind, als eine Art Maschinenmenschen, völlig willenlos, lediglich in der Lage, Befehle zu empfangen und diese emotionslos auszuführen. Das mag effektiv sein, bedeutet aber gleichzeitig, dass diese „Drohnen“ – so werden sie in der Serie genannt – sich nicht anders verhalten wie Krebszellen, die den genetischen Befehl zur Vermehrung ausführen, ohne sich, (wie denn auch ohne die Fähigkeit zur Empathie ?), um Kooperation mit ihrer Umgebung zu bemühen. Interessanterweise lernt man dann im Film „Der erste Kontakt“ die sogenannte Borg-Queen kennen, und diese besitzt die Fähigkeit, menschliche Leidenschaft zu erfahren. Dadurch bekommt der Expansionsdrang der Borg einen menschlichen Aspekt und erscheint nicht mehr so sinnlos: Die Assimilation fremder Spezies erzeugt bei der Borg-Queen Lustgefühle, es verschafft ihr einen Kick.

Spiegelneuronen

Spiegelneuronen sind eine der faszinierendsten Entdeckungen der Hirnforschung der letzten 20 Jahre, oder besser, 22 Jahre (sie wurden 1992 zum ersten Mal beschrieben).Um was geht es ? Es geht darum, dass ein bestimmter Bereich unseres Gehirns bei der Wahrnehmung der Emotionen eines anderen Menschen – z.B. in Gestalt einer bestimmten Mimik, welche Ärger, Angst oder Freude ausdrückt, die gleichen Aktivitätsmuster aufweist, als wenn wir diese Emotionen selbst erleben.
Hier scheint ein Schlüssel zu liegen, der unsere Fähigkeit zur Empathie, also des Mitfühlens, auf der physiologischen Ebene erklärt. Im Vergleich mit einem Computerprogramm, das in der Lage ist, Gesichter zu erkennen,
sind wir als Mensch klar im Vorteil, da wir in der Lage sind, intuitiv zu erfassen, wie jemand „drauf“ ist, bzw. ob jemand „echt“ ist, oder nur so tut. Die Aussage: „Das nehme ich Dir nicht ab !“ treffen wir also in dem Moment, wo die Wahrnehmung eines Lächelns oder eines traurigen Gesichtausdrucks sich nicht mit dem Aktivitätsmuster deckt, welches unsere Gehirnzellen aufweisen, wenn wir selbst fröhlich oder traurig sind.
Da jedem noch so ausgetüfteltem Programm die Fähigkeit des Erlebens fehlt, wird es auch nicht in der Lage sein, den Gemütszustand eines anderen Menschen anhand einfacher Parameter, wie z.B. dem Abstand der Mundwinkel zur Gesichtsmitte oder dem Auftauchen einer Stirnfalte, einer „echten“ Stimmung zuzuordnen. Unseren Spiegelneuronen fällt das jedoch ganz leicht: Sie erzeugen das gleiche Gefühl wie jenes, welches  mein Gegenüber gerade erlebt, und das ganz selbstverständlich und natürlich, aufgrund unserer biologischen Ausstattung. Es stellt sich wieder einmal die Frage, wer der Herr im Hause ist: Geist oder Materie ?

Die Kunst des Staunens

Vor vielen Jahren, wir waren noch Teenager, war ich abends mit einem guten Freund in der Natur unterwegs, so eine Art Nachtwanderung halt.
Es war sternenklar, und ich erklärte meinem Freund den nächtlichen Himmel indem ich  auf einige mir bekannte Sterne und Planeten deutete :
„Guck mal, da ist der große Wagen, und da hinten leuchtet Jupiter, …“
Mein Freund meinte dann irgendwann: „Ich muss die Namen der Sterne da oben nicht kennen, um fasziniert zu sein.“ Da musste ich erst mal schlucken. Ich dachte: Man kann das doch alles erklären, das ist doch erstaunlich. Astronomie war damals meine große Leidenschaft, und ich konnte nicht verstehen, dass sich jemand der wissenschaftlichen Erklärung verschließt. Heute, etliche Jahre später, denke ich oft an diese Begebenheit.
Mein Freund hatte damals Recht: Diese Welt ist erstaunlich, und ich muss gar nicht alles erklärt bekommen. Gleichzeitig irrte er aber auch, denn: Das Staunen hört mit der Erkenntnis nicht auf. Jede noch so genaue Beschreibung dieser wunderbaren Welt macht das Ganze nur noch großartiger. Heute, mit dem Abstand von Jahren weiss ich, dass mein Freund und ich uns damals in unserer Auffassung der Wirklichkeit viel näher waren, als es nach Außen hin scheint, denn die sogenannte „nüchterne Betrachtung“ war mir schon damals genauso fremd wie ihm.

Buddha meets Heisenberg

Albert Einstein hat einmal gesagt : „Wenn es eine Religion gibt die sich mit wissenschatlichen Bedürfnissen vertragen kann, so wäre das der Buddhismus.“An dieser Stelle noch eine Buchempfehlung  :Wer sich intensiv sowohl mit der buddhistischen Sichtweise als auch der modernen Physik beschäftigt, dem mag auffallen, dass sich hier erstaunliche Parallelen finden lassen. Für mich persönlich war ein Buch die Initialzündung für derlei Betrachtungen, und zwar „Quantum und Lotus“. Die Autoren sind Matthieu Ricard und Trinh Xuan Thuan.Was den Dialog der beiden, und um einen solchen handelt es sich, besonders spannend macht, sind die Biografien der Beteiligten.Matthieu Ricard ist Molekularbiologe und Buddhistischer Mönch, als solcher unter anderem der persönliche Französisch-Dolmetscher desDalai Lama . Trinh Xuan Thuan kommt seinerseits aus einem buddhistischen Umfeld – er wuchs in Vietnam auf – und wurde    Astrophysiker. Gemeinsam loten die beiden die Schnittstellen der buddhistischen und der physikalischen Deutung der Natur aus. Ich kann diese Lektüre nur wärmstens empfehlen.

Das Enttäuschte Pferd

In der Comedy-Serie „Little Britain“ – in der deutschen Ausgabe kongenial synchronisiert von Oliver Welke und Oliver Kalkofe – gibt es einen Sketch, den ich in unserem Zusammenhang sehr bemerkenswert finde, und zwar jenen, in dem der skurrile Kunde Mr. Mann in Roy und Margaret’s Shop nach einem Bild fragt, auf dem ein enttäuschtes Pferd zu sehen sei. Als ich diesen Sketch zum ersten Mal sah, kam mir der Gedanke, dass es uns grundsätzlich nicht möglich ist zu erkennen, ob ein Pferd – oder irgend ein anderes Lebewesen – tatsächlich enttäuscht ist oder nicht. Ginge es um einen enttäuschten Menschen, würden wir erwarten, seinen Gefühlszustand an Äußerlichkeiten wie dem Gesichtsausdruck oder der Körperhaltung erkennen zu können. Da uns diese Möglichkeit im konkreten Fall bei einem Pferd verschlossen bleibt – mal abgesehen von der Frage, ob ein Pferd überhaupt enttäuscht sein kann – müssen wir bei der Frage nach einem Bild, das ein solches zeigt, unwillkürlich schmunzeln. Gleichzeitig können wir aber auch nicht ausschließen, das ein beliebiges Pferd, ganz gleich, ob es lebendig vor uns steht oder nur auf einem Gemälde oder Foto abgebildet ist, sich gerade in dieser Stimmung befindet. Daraus kann man schlussfolgern, dass die Menge an Information, die wir aus der bloßen Abbildung des Pferdes gewinnen können, verschwindend gering gegenüber dem ist, was sich im Kopf des Tieres gerade abspielt. Direkt erschließen tut sich die Stimmung des Pferdes nur dem Tier selbst, und somit lässt sie sich auch nicht objektivieren.

Geist und Materie

Eine der größten Inspirationsquellen sind für mich die Aussagen des Physikers und Trägers des Alternativen Nobelpreises Hans Peter Dürr . Dürr betont, das die Welt, die wir erleben, keinen dinglichen Charakter hat, sondern eine Beziehungsstruktur aufweist, welche wir direkt erfahren können. Er vermeidet den Ausdruck Realität (Res = lat. : Ding,Sache) und spricht stattdessen von einer Wirklichkeit, die unserer Welt zugrunde liegt. Er meint damit, dass das, was wir um uns herum wahrnehmen, keine materielle Ursache hat, sondern das etwas im Hintergrund wirkt, welches der Welt einen potenziellen Charakter gibt. Etwas flapsig könnte man auch sagen : Alles kann, nichts muss. Dieses Etwas kann man nach meinem Verständnis als Geist, Gott, Sinn, oder wie man möchte bezeichnen. Die meisten Menschen haben ein intuitives Veständnis von diesem Etwas, dass sich nicht erklären lässt, aber eben doch so real erlebt wird wie Zahnschmerzen. Einen schönen Einstieg in seine Gedankenwelt bietet dieses Interview mit Vesna Kerstan. Ein, wie ich finde, echtes YouTube-Highlight .

https://www.youtube.com/watch?v=sC1BZX3jpUAal

Entsteht der Geist im Gehirn ?

 Ich halte es nicht für plausibel, dass geistige Prozesse auf materielle Strukturen zurückzuführen sind. Eher scheint es so zu sein, das unser Gehirn wie ein Empfänger arbeitet, der die sprirituelle Wirklichkeit für uns transformiert und erlebbar macht. Da geistige Phänomene keine Objekte im physikalischen Sinne sind, können sie auch nicht als solche mathematisch beschrieben werden. Meßbar sind lediglich Gehirnaktivitäten, die zwar mit Gedanken und Gefühlen nachweislich korrelieren, aber nicht deren Ursache sind. So ruft zum Beispiel sichtbares Licht der Wellenlänge 700nm den Farbeindruck „Rot“ hervor, das Wesen dieser Farbe erschließt sich der naturwissenschaftlichen Betrachtung jedoch nicht, sondern ausschließlich unserem subektiven Empfinden. Kurzum : Auch wenn wir unser Gehirn mit
den modernen Methoden bis ins kleinste Detail per Scan erfassen, erklärt uns das doch nicht die Schönheit einer Sinfonie oder die Schmetterlinge im Bauch beim ersten Verliebtsein. Diese Aspekte unserer menschlichen Existenz gehören nicht in den Zuständigkeitsbereich der Wissenschaft, und viele, wenn nicht die meisten Naturwissenschaftler sind sich dessen bewusst, auch wenn gerade unter den Biologen ein anderer Trend vorherrschend zu sein scheint. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf zwei Bücher von Hoimar von Ditfurth hinweisen, der mit seiner populärwissenschaftlichen Reihe Querschnitte in den siebziger Jahren Fernsehgeschichte geschrieben hat.

Der Geist fiel nicht vom Himmel (1976)
Wir sind nicht nur von dieser Welt (1981)